Montag, 31. Oktober 2016

Sperrmüll im Lebenslauf

Ich brauche nicht mehr zum Therapeuten.
Ich gehe einfach in eine Buchhandlung. Kaufe mir Bestseller über das Finden des inneren Kindes in mir und die Attraktivität von Lücken im Lebenslauf. Danach geht’s mir besser und außerdem ist das alles günstiger als eine Sitzung bei einem alten Greis, der mir das gleiche erzählt. 


Dann hole ich dich ab. Du sitzt hinter einer Glasscheibe in einem Stuhlkreis. Ich winke dir von draussen zu. Du winkst zurück, doch kommst nicht raus. Ich will wieder gehen, doch eine Verrückte kommt auf mich zu. Sie hält mir die Tür auf und fragt nach meinem Namen und den Büchern unter meinem Arm. Ich sage ihr meinen Namen nicht, aber dass ich mich frage, was genau eigentlich zwischen Lücken in Lebensläufen liegt. Sie lächelt mir zu und bittet mich in den Stuhlkreis. Ich hasse Stuhlkreise. Alle sitzen vor abstrakten Bildern und trinken klebrigen Wein. Sie erzählen, dass sie diese Bilder hinter ihnen schon immer gut fanden. Und vor allem die Farben. Das wissen sie, ohne jemals hinter sich geschaut zu haben. Ich fand Wein schon immer gut, egal welche Farbe. Ich soll mich vorstellen. Ich habe Angst dass ich ihnen gleich ins Gesicht spucke. Sie reden eine Sprache, die ich nicht verstehe und tragen Klamotten die ich nicht verstehe. Als ich wieder draussen bin kaufe ich mir etwas, das ich besser verstehe. Es heisst Whiskey Cola. Auf dem Weg zum Bahnhof lass ich ein Buch nach dem anderen auf den Boden fallen, damit du mir folgen kannst. Als du mich wieder findest, habe ich noch weiteren Whiskey gefunden, aber dafür gerade das innere Kind in mir verloren. Du sagst, das ist dir egal. Deins ist auch verschwunden. 
Wir gehen auf eine Party in einer anderen Stadt.


Du verstehst die Menschen dort nicht. Sie sprechen eine andere Sprache und tragen andere Klamotten. Es gibt keinen Stuhlkreis mehr, denn sie haben alle Stühle auf den Sperrmüll gestellt. Du weiss nicht, wo du dich hinsetzen sollst. Wir bleiben stehen und werfen Zigaretten auf Autos. 





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