Montag, 21. Januar 2019

Gabba in Paris





Text und Ton: aus der Werbung



Und wir laufen durch Paris und Paris ist teuer. 
Bevor wir irgendwo einkehren können werfen wir unser Geld aus den Taschen auf die Straße. Jetzt sind wir frei. Wir verschwinden in einem kleinen Garten, der schwarz-weiss ist und in dem sich Menschen vor audiovisueller Kunst verstecken. Wir können diese Menschen nicht sehen, denn sie sind gut getarnt, sie tragen weisse Hemden und schwarze Hosen. Kopfhörer hängen von den Decken und flüstern uns zu, dass Paris die Stadt der Liebe sei doch wir hören ihnen nicht zu, auch wenn wir damit das einzige Ausdrucksmittel missachten, welches Kopfhörer besitzen. Wir essen Crêpes mit Ei, gerührtes Ei, und der Crêpe würde genau so schmecken, hätte man kein Ei darauf getan. Als wir später auf eine Party gehen, haben sie rot weisse Fahrradlichter an Wände und Kontrabässe gehangen und wir tanzen auf Slowrock, obwohl wir gar nicht wissen wie das geht, denn unsere Lieblingsmusik ist Gabba. Der Mann der hinten in der Ecke sitzt, sagt, dass er schon längst tot sei. Jemand hat ihm eine Kugel durch den Kopf geschossen. Er hat sogar gespürt, wie es sich anfühlt, zu sterben. Es sei alles sei ganz warm geworden um ihn herum. Er wusste, dass er dem Tod nicht mehr entkommen konnte und hatte seinen letzten Wunsch geäußert. Er wollte nach Paris. Es war mühselig gewesen, doch hatte funktioniert. Vielleicht hätte er gerne noch Notre Dame besichtigt, doch das alles hätte zehn Euro Eintritt gekostet. Und er hatte doch direkt wie wir sein Geld auf die Straße geworfen, indem Moment, als er Paris betreten hatte. Schlau war er. Und so sah er Notre Dame nur von aussen, wie sie allmählich in das glitzernde Blau des Himmels eintauchte, bis der Himmel die ganze Kathedrale verschluckte, so, wie er irgendwann auch uns verschlucken würde. Überall kann man Analogien entdecken. Und nachdem der Mann, der schon tot war, gesehen hatte, wie Notre Dame verschluckt worden war, schleppte er sich die letzten Meter mit dem Fahrrad auf diese Party. Er sitzt zwischen den Fahrradlichtern und würde genau so wie wir gerne auf Gabba tanzen, wenn er nicht schon so schrecklich tot wäre. 









Freitag, 4. Januar 2019

Abendveranstaltung


Das ist ein perfider Tag. Er hat mit mir um 10 Uhr einen Termin ausgemacht und ihn fünf Minuten vorher abgesagt weil er gestern eine Abendveranstaltung hatte. Dann hat er das Wasser in der Wohnung abgestellt und dafür einen Großteil davon in den Keller verlegt. Schließlich sagt er, ich solle die Heizung ausschalten weil sonst alles explodiert und das irgendwie unangenehm wäre, da der Winter vor der Tür stehe. 

Ich sag, ich mach nicht auf.
Aber der Tag zwingt mich. 

Ich stehe also mit meiner Wärmflasche vor der Tür und die Winterblätter klatschen mir ins Gesicht. Die Abendveranstaltung von gestern hat sich mittlerweile selbstständig in meinen Kopf verlegt und sich von einem harmlosen Event zu einem Tornado entwickelt. Sie fegt unerbittlich über meine Synapsen hinweg. Ich begrüße den Winter kurz und weise ihn darauf hin, dass er das nächste mal vorher fragen möge, ob er vorbeikommen kann. Er streicht mir ein paar Winterblätter aus dem Gesicht und grinst mich an. Ich nehm ihn mit nach oben. Wir setzen uns auf den Fußboden und machen das Fenster auf. Dann nimmt er mir die Wärmflasche ab und wirft meine Bettdecken aus dem Fenster. Wie das so ist mit Gästen, sie dürfen sich einiges erlauben. Er möchte einen neuen Termin mit mir ausmachen. „Wie wär’s morgen um 10?“, fragt er. Ich nicke stumm. Der Tornado in meinem Kopf ist kaum noch auszuhalten. Ich mag den Winter eigentlich, wir verstehen uns. Aber… Bevor ich weiterdenken kann, fällt aus dem Wirbelsturm in meinem Gehirn ein Gedanke heraus. Der Winter sauge mir nur Energie, sagt der Gedanke. Ich verdränge ihn schnell. „Nein“, sagt der Gedanke, „ich bin noch da“. „Na gut", sage ich. 

Ich schicke den Winter auf eine Abendveranstaltung, auf der er elf Bier trinken muss, drei Jägermeister von der Bedienung ausgegeben bekommt und dazu Billiard spielt. In der Hoffnung, dass wir uns morgen nicht wieder sehen.