Sonntag, 18. September 2016

Feierabend

Zur Feier des Tages habe ich mir Ingwerlimonade und ein Stück Schokokuchen in einem Café meiner Wahl geleistet. Ich weiss nicht warum, aber ich möchte diesen Tag feiern. Auch wenn er so unspektakulär ist, wie die allmorgendliche Leere meines Kühlschranks. 
„Warum willst du mich feiern? Ich hab das alles gar nicht verdient!“, sagt der Tag und gähnt mir seinen Atem ins Gesicht. 


Ich ess ein weiteres Stück von meinem Schokokuchen und denk kurz darüber nach. Bevor ich dann weiter darüber nachdenke, ess ich noch ein Stück Schokokuchen. Nach meinem Bauchgefühl liegt die Antwort gerade eher im Schokokuchen als in meinem Kopf. Aber der Tag scheisst auf mein Bauchgefühl. Er guckt mich immer noch an und will wissen warum ich ihn feier. Die Wahrheit wäre, ich hab einfach Bock auf Schokokuchen. Aber das kann ich ihm nicht sagen. Das würde seine von Minderwertigkeitskomplexen behaftete Seele nicht ertragen. Das wäre so, wie mit jemandem zusammen sein zu wollen, nur um nicht mit dem Kopfkissen kuscheln zu müssen. Oder drei Tage Haferflocken zu essen, nur weil Seelachsfilet und Rahmkartoffeln zu aufwendig sind. 


Ich schau ihn mir an, den Tag. „Du, hör mal“, sage ich schließlich, „Du bist etwas ganz besonderes für mich. Wenn du nicht da gewesen wärest, wäre ich heute morgen niemals aufgestanden. Hätte danach niemals acht Stunden Kabel gewickelt. Mir keine zehn Marmeladenbrote reingehaun, nicht auf mein Konto geguckt, nicht geduscht, keine Wäsche gewaschen. Ohne dich wär’s bestimmt auch schön gewesen, aber nun haben wir uns gefunden. Außerdem gibt’s dich nur einmal, während es mich jeden Tag gibt“. Der Tag wird ganz rot im Gesicht. Ich bin kurz von mir selbst begeistert und gönn mir zur Belohnung gleich den Rest des Kuchens. Doch dann plumpst plötzlich die Sonne vom Himmel. Der Tag hat sie fallen gelassen.


„Meine Güte, was machst du da?“, frag ich ihn, während ich im Dunkeln meine Gedanken auf dem Boden suche. „Unsere Beziehung hat doch gerade erst angefangen.“ Doch der Tag sagt nichts mehr. Ein Regentropfen fällt an ihm herunter. Dann krampft sich sein Gesicht zusammen und entlädt sich in grellen Zickzackstreifen am Himmel. „Du lügst“, faucht er mich an und presst seine Zähne zusammen „Ich bin überhaupt nichts besonderes für dich! Während ich nur dich habe, hast du tausende von Tagen. Im Grunde genommen, hast du jeden Tag einen anderen!“ „Aber..“, ich starr ihn an, „wir haben jetzt, und ich hab nur dich. Du warst einfach da, genauso wie ich. Es war alles Schicksal und Zufall zugleich. Und jetzt lass uns feiern.“ 


Doch mein Tag hört nicht mehr zu. Er packt die Sonne ein und geht. 


Ich hoffe, dass er den anderen Tagen nichts von mir erzählt. Ich möchte nicht, dass sie bereits im Vorfeld ein Bild von mir haben. Schließlich hab ich für morgen schon ein ganz anderes Drehbuch geschrieben.