Sonntag, 9. Oktober 2016

Konserviertes Happy End

Wer hätte gedacht, dass der Sommer je aufhören würde. 


Die Turmuhr schlägt und erste Blätter wälzen sich auf dem Boden. Von jetzt auf gleich ist Herbst geworden und wir haben ihn nicht bemerkt. Er hat sich angeschlichen, als wir noch auf dem Balkon saßen und pulvrigen Zitronentee tranken. Je kälter es wurde, desto größere Sonnenschirme spannten wir auf. Doch als wir eines Abends auf einer Bank sitzen und Bier trinken, haben wir keinen Sonnenschirm zur Hand. Der Herbst schreit uns ins Gesicht.


Wir werfen unsere Spielkonsolen weg und bemerken, dass wir nach all unseren Eroberungen Falten neben den Augen bekommen haben. Wir wollen noch mehr davon, deshalb lachen wir weiter, pusten uns Bier ins Gesicht und bewerfen uns mit den letzten Sonnenstrahlen des Tages. Wir halten zusammen, denn wir müssen an die große Romanze glauben, die wir unser ganzes Leben konsumiert haben. Wir sind gewachsen und wachsen noch mehr. Unser Körper ist groß wie ein Wolkenkratzer. Wir haben unser Lächeln schon kurz nach der Hochzeit auf einem Foto einfrieren lassen, damit wir niemals die Chance haben werden uns irgendwann über Putzpläne und Kindererziehung zu streiten oder das richtige Rezept von Reibekuchen. Wir haben uns Lebens- und Haftpflichtversichert, Vollkasko und Reiserücktritt-, haben für den Fall der Fälle von alldem eine Sicherungskopie erstellt. Unser ganzes Leben seziert, schließlich kompakt auf eine Festplatte gepackt, mit Geschenkband verschnürt. Ziemlich siegessicher das Endprodukt unserem 1 life - Unternehmensberater gezeigt: Fertig gelebt, bevor wir gestorben sind, die besten Bilder, die besten Erinnerungen, die besten Erfolge und den besten Nachwuchs. Sorgsam sortiert, komprimiert, archiviert, konstruiert. 


Doch dann kam der Herbstwind. Die Festplatte liegt zerstört am Boden. Ich hab Tränen in den Augen, denn unser Leben ist kaputt. Das dickste Einmachglas, zersplittert am Boden. 



Ich kehr alles weg, werf meine Schokoladenseiten auf den Kompost. Dekonstruier mein Happy End und leg seine Splitter in Essig ein. Was bleibt, ist Unsicherheit. Du schaust lange darauf. Dann sagst du: „Es macht nichts, dass du dir unsicher bist. Unsicherheit ist die Essenz des Lebens.“





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