Mittwoch, 11. Juli 2018

Abschlussarbeit.






Sprecher: Tim Abramczik



Die Tatsache, dass ich nach einem Abschluss suche, beinhaltet, dass ich bereits einen Anfang gefunden habe. Die allgemeine Auffassung darüber, dass der Anfang schwer ist, und sich alles andere schon irgendwie ergibt, kann ich nicht bestätigen. Denn mein Anfang hat sich schon zu Beginn irgendwo verloren, und jetzt bin ich ziemlich am Ende. Da ich nicht weiss, wie man etwas abschliesst, habe ich das Internet befragt. Immer wenn ich das Internet befrage, gibt es ein oder mehrere Haken an der Sache. Der Erste ist, dass das Internet nicht zurückfragt und damit keine Gesprächskultur entsteht. Der Zweite ist, dass das Internet auf meine Frage zu viele Antworten besitzt. Der Dritte ist, dass ich nach den Antworten des Internets noch mehr Fragen habe, und sich die Antwortmöglichkeiten damit so weit exponieren, dass sie räumlich gesehen eigentlich gar nicht mehr ins Internet hineinpassen dürften. 


Trotz all dieser Stolpersteine bin ich jedes mal wieder gewillt, das Internet zu fragen. Schließlich sind die meisten meiner Freunde zum Weisswurst essen verabredet, wenn ich dringende Fragen habe. Alle übrigen Freunde und Vestorbenen hängen gerade selbst im Internet ab und lassen sich Fragen beantworten. Ich klopfe leise an. Das Internet ist voll, aber nie besetzt. Burnout kennt es nur per Definition. Also frage ich heute, wie ich mit etwas abschließe. Das Internet ist zuverlässig und antwortet in 0,44 Sekunden . Als erstes möchte es, dass ich das Wort „abschließen“ in ca 34 Sprachen übersetze. Da ich nichts besseres zu tun habe, mache ich das. Nach den ersten vierundzwanzig Sprachen spüre ich tatsächlich den dringenden Wunsch, eine Sache nun ganz schnell zu Ende bringen zu wollen. Ich bin begeistert von diesem psychologischen Trick. Trotzdem breche ich ab. Ich bin antwortsuchend, nicht lösungsorientiert. 


Die nächste Antwort ist Selbstheilung. Ohne Kausalkettenkarussel gerate ich auf eine Seite, auf der folgende Schlagzeilen hintereinander anzutreffen sind: 1. Reisen, Handys, Gutscheine - gewinne jetzt tolle Preise! 2. Black Mambas: Wie eine Gruppe Frauen in Südafrika für das Leben von Nashörnern kämpft. 3. Warum ich mich für einen Samenspender entschieden habe. Ich frage mich, ob diese Dinge mit meinem Leben zusammen hängen, weil sie irgendwo in meinem von Google über mich erstellten Profil stehen und nun für immer erscheinen werden, ganz egal was ich eingebe. Falls nicht, muss ich mich aus Solidariät zu Google nun dringend um einen Samenspender bemühen. Ich möchte nicht, dass Google Minderwertigkeitskomplexe bekommt, nur weil es plötzlich nicht mehr seinen Attributen entspricht. Ich konzentriere mich wieder auf meinen Abschluss. Es gibt noch mehrere Antwortmöglichkeiten. Ich könnte eine emotionale Vergiftung haben, sagt das Internet. Ich mag die Antwort und klicke sie an. Nach circa drei Minuten Lesezeit bin ich sehr überzeugt davon, dass ich eine emotionale Vergiftung habe. 


Nach weiteren circa 800 Minuten habe ich Seite 27 bis 3005 im Internet durchgelesen. Ich bin jetzt 97 Jahre und kein Ende in Sicht. Ich setze mich im Schneidersitz auf den Boden und warte auf den Abspann. Es gibt keinen Abspann, flüstert das Internet mir zu. Als die Sonne untergeht, bin ich schon eingeschlafen. Ich träume von Testbildern und Sendeschluss. Ich träume von Scheidungen, Tod und Weltuntergang.  Ich träume. Ich träume. Ich träume. Als ich aufwache, habe ich alles nur geträumt. Die emotionale Vergiftung ist immer noch da. Genauso wie das Internet. Ich und das Internet, wir scheinen unglaublich verwandt miteinander zu sein. Ich suche nach ein paar abschließenden Worten. Ich werde diesen Text immer weiter schreiben. Ich werde diesen Text immer weiter schreiben. Ich werde diesen Text immer weiter schreiben. 










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